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  Wagnis
 

"Das Wagnis hat sich gelohnt"

Initiator Gerd Felder zieht eine Bilanz des Pilotprojektes “Zwischen Ende und Anfang³

Es war ein medienpädagogisches Pilotprojekt, das es bundesweit so noch nicht gegeben hat: Über 300 Schülerinnen und Schüler von sieben Schulen aus Münster und Wilhelmshaven - sechs davon aus Münster - haben in den
vergangenen acht Wochen an dem Projekt "Zwischen Ende und Anfang" des Johannes-Hospizes und des Journalistenteams “Zirkel³ teilgenommen und sich in dieser Zeit mit dem Thema Tod beschäftigt. Projektleiter und
Initiator Gerd Felder vom “Team Zirkel³ beantwortet dem Blaumacher einige Fragen
zu dem Projekt.

Bitte sagen Sie uns ein paar Sätze zu Ihrer Person. Was haben Sie bis jetzt gemacht, und womit sind Sie momentan beschäftigt?

Ich bin 1957 in Jülich (Rheinland) geboren und habe in Bonn und Tübingen Katholische Theologie studiert. Danach habe ich in Aachen und Münster ein Zeitungsvolontariat absolviert. Bis 1993 war ich Redakteur bei den “Westfälischen Nachrichten³, danach habe ich unter anderem in Süddeutschland gearbeitet. Bis 2004 war ich Chefredakteur der katholischen Paderborner Kirchenzeitung DER DOM. Momentan arbeite ich als Freier Journalist für
viele Zeitungen und Zeitschriften im ganzen deutschsprachigen Raum und führe
Projekte wie “Zwischen Ende und Anfang³ durch.

Wie kamen Sie auf die Idee zu diesem Projekt?

Vor fast genau einem Jahr bin ich an das Johannes-Hospiz mit der Idee herangetreten. Dabei war mir bewusst: Das ist ein Wagnis. Klar:
Projekte “Zeitung in der Schule" hatte es bereits viele gegeben, und als Chefredakteur der katholischen Paderborner Kirchenzeitung Der DOM hatte ich mich schon 2002 erstmals daran beteiligt. Insgesamt drei Projekte hatten
mein Kollege Markus Breuer und ich dort durchgeführt.Dann machten wir uns als “Team Zirkel" selbständig und ließen ein weiteres mit der evangelischen Bielefelder Kirchenzeitung “Unsere Kirche" folgen - an der größten
evangelische Schule im Bundesgebiet, dem Söderblom-Gymnasium im ostwestfälischen Espelkamp. Aber ein solches Projekt mit einer
sozial-karitativen Einrichtung statt einer Zeitung als Träger ­ das hatte es im ganzen Bundesgebiet noch nicht gegeben, darüber hinaus auch noch zum Thema “Sterben und Tod". Es war ein Wagnis, aber es hat sich gelohnt.

Wieso hat das Projekt ausgerechnet diesen Titel?
 
Den hat Michael Roes, der Leiter des Johannes-Hospizes, kreiert. Er soll zeigen, dass mit dem Tod nicht alles aus ist, sondern das Ende auch
einen Anfang bedeutet. Deshalb heißt es auch nicht “Zwischen Anfang und Ende",
sondern “Zwischen Ende und Anfang".
 
Was wollten Sie bei den Schülerinnen und Schülern erreichen?

 
Wir wollten vor allem das Tabuthema Tod in die Mitte der Gesellschaft rücken und deutlich machen, dass man Sterben und Tod nicht verdrängen darf, weil es im ganzen Leben eine wichtige Rolle spielt. Genauso wichtig war es, zu zeigen, dass das Johannes-Hospiz nicht irgendwo in einer Nische am Rande der
Gesellschaft existiert, sondern ein Ort mitten im Leben ist, wo nicht nur gestorben, sondern vor allem auch intensiv gelebt wird.

Auf welche Art und Weise wurden die Schülerinnen und Schüler an das
Thema Tod herangeführt?

 
Acht Wochen lang haben alle Schülerinnen und Schüler kostenlos drei ganz unterschiedliche Tages- und Wochenzeitungen erhalten und deren Berichterstattung zum Themenbereich “Sterben und Tod" unter die Lupe genommen. Dadurch sollten sie das selektive Lesen einüben. Wie viel alle drei Zeitungen in diesen zwei Monaten die ganze Thematik “Sterben und
Tod" zum Thema gemacht und oft sogar auf ihre vorderen Seiten gesetzt haben, das hat sogar mich überrascht. Eine Klasse hat regelrechte “Rezensionen" zu den Zeitungen geschrieben und sie dadurch bewertet. Parallel zur
Zeitungslektüre sind die beteiligten Schülerinnen und Schüler aus 13 Klassen selbst als Journalisten tätig geworden und haben Artikel zu allen Aspekten geschrieben, die in irgendeiner Weise mit dem Thema zu tun haben: Von der Bestattungskultur über Sterbehilfe und Suizid bis hin zum Tod in der
Kunst, Literatur und Musik. Darüber hinaus konnte jede teilnehmende Klasse
einmal das Johannes-Hospiz besuchen und wurde umgekehrt einmal vom “Team
Zirkel" im Unterricht besucht.

Gab es zusätzliche Events?

Da war am 11.Oktober zunächst unsere Eröffnungsveranstaltung im Kardinal-von-Galen-Gymnasium, verbunden mit einem Studientag zur selben Thematik. Ein idealer Startschuss, wenn ich so sagen darf, der - besonders in den 15 Arbeitsgruppen - bereits die ganze Themenpalette unsres Projektes ausbreitete. Es folgte eine Passantenbefragung kurz vor Allerheiligen in der Innenstadt, die die beiden 9. Klassen der Friedensschule und des
Kardinal-von-Galen-Gymnasiums durchgeführt haben. Ergebnis der Umfrage war, dass offensichtlich nur noch die älteren Menschen an diesem Feiertag die Gräber ihrer verstorbenen Freunde und Verwandten aufsuchen, während
Jüngere ausschlafen und den Tag in der Familie verbringen. Bemerkenswert war die hohe Wertschätzung aller Passanten für Hospize. Eine weitere Veranstaltung war die Friedhofsrallye auf dem historisch bedeutsamen Zentralfriedhof,
die die Johannes-Gutenberg-Realschule Hiltrup unternommen hat. Ausgerüstet mit Friedhofsplänen, haben die Schülerinnen und Schüler zwölf Gräber von berühmten Verstorbenen (unter ihnen Schwester Euthymia, Pinkus Müller und Jürgen Möllemann) besucht und fotografiert. Wer waren sie gewesen? Wann
hatten sie gelebt? Was hatten sie für Münster und die Welt geleistet?
Das sollten sie bei der Rallye herausfinden. Fünf Lotsen bzw. Info-Streckenposten, die in der Nähe der Gräber postiert waren, halfen
ihnen bei der Suche und beantworteten möglichst alle Fragen zu den berühmten
Verstorbenen.
 
Wie reagieren Außenstehende auf das Projekt?
 
Die meisten sind erstaunt, dass Schüler sich mit solch einem schwierigen, ,unschönen´ Thema ´beschäftigen, finden das Projekt aber gut. Du darfst nicht vergessen, dass der Tod das letzte Tabu ist, das es in unserer Gesellschaft noch gibt. Wer spricht schon über den Tod?

Und wie haben die Schülerinnen und Schüler selbst auf das Projekt reagiert?

Ich gebe Dir dafür ein eindringliches Beispiel. Als wir unsere Passantenbefragung durchführten, wurden Herr Roes und ich von zwei jungen Zeitungs-Mitarbeiterinnen befragt. Was, die Schüler beschäftigen sich mit dem Thema Tod? Kommt denn dabei überhaupt etwas heraus? Damit haben die doch
eigentlich überhaupt nichts am Hut. Oder machen die das, weil sie das jetzt im Unterricht machen müssen? So lauteten die Fragen. Um sich davon zu überzeugen, wie die Schülerinnen und Schüler das selber sähen, sprachen die beiden jungen Kolleginnen einige unsere Schülerinnen direkt an ­ und waren
verblüfft über die Reaktion. “Wir finden es gut, dass wir dieses Thema in der Schule behandeln, und gehen ganz unbefangen damit um", lautete die Antwort. “Der Tod gehört nun mal zum Leben, und wir finden es richtig,
sich dem zu stellen." Natürlich gab es große Unterschiede. Das  Thema ist nicht jedem Schüler und jeder Klasse gleich nahe gegangen. Aber wenn die meisten von ihnen nachdenklicher und sensibler für das Thema geworden sind, ist schon viel erreicht. Vor allem aber hat ihr Bild von Hospizen allgemein
und vom Johannes-Hospiz im Besonderen sich in diesen acht Wochen zum Positiven hin gewandelt. Das wissen wir aus den Fragebögen, die wir ausgeteilt haben.
 
Werden die Arbeiten der Schülerinnen und Schüler veröffentlicht?
 
Spätestens bis März wird im Dialogverlag Münster ein Buch mit allen Texten,
Fotos und Zeichnungen erscheinen; eine Schülerin will sogar versuchen, einen
Comic zum Thema ,Tod´ zu zeichnen. Die besten Artikel und Kurzgeschichten
werden auch im Internet auf der Homepage www.johannes-hospiz.de und in der
katholischen Kirchenzeitung  "Kirche und Leben" sowie in der Fachzeitschrift
"Bestattungskultur" veröffentlicht.

Wie fällt Ihr persönliches Resümee des Projektes aus?

Es hat sich gezeigt: Schülerinnen und Schüler sind bereit und in der Lage, sich auf dieses schwierige Thema einzulassen, ja sich manchmal vielleicht sogar dafür begeistern zu lassen, wenn man das überhaupt so sagen darf.
Gerade aus Deiner Klasse an der Marienschule liegen uns sprachlich exzellente, unter die Haut gehende Kurzgeschichten vor. Viele Schülerinnen und Schüler haben das vermeintliche Tabu-Thema zu ihrem gemacht, sind unbefangen daran herangegangen und haben gelernt, dass Sterben und Tod
weitaus mehr ist als Schulstoff, sondern viel mit ihrem Leben zu tun hat. Der Tod gehört als Thema nicht nur mitten in die Gesellschaft, sondern auch in die Schule: Das ist die Botschaft, die von unserem Projekt ausgeht.

Planen Sie bereits das nächste Projekt?

Noch nicht konkret. Dieses Projekt war so anspruchsvoll und umfangreich, dass man zunächst einmal eine kleine Pause einlegen muss. Im Laufe des nächsten Jahres sehen wir weiter.

Interview: Nina B.



 
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